Wednesday, 27 May 2009

Mittwoch, 20. Mai - Frische Luft

Das war wirklich eine großartige Nacht. Ich habe durchgeschlafen und bin nicht einmal aufgewacht, nicht so wie in der Herberge. Mein Wecker klingelte um 7 Uhr, ich habe mich aber noch einmal umgedreht und bis 7.30 Uhr weitergeschlafen. Zum Frühstück gab es Sandwich mit Ei und Tee, um mich für die anstehende Reise zu stärken. Obwohl ich sehr früh aufgestanden bin, fuhr ich nicht vor 9 Uhr los. Nach fünf Minuten kam ich zur R41, die von Takayama nach Toyama führt. Von dort aus ging es dann weiter auf die R471, die mich dann auf die R360 brachte. Diese sollte aber, laut dem Besitzer des Fotogeschäfts, den ich einen Tag zuvor traf, gesperrt sein. Ich hielt an einer Tankstelle und eine nette Dame gab mir eine hanggezeichnete Karte der Umgebung, auf der man gut erkennen konnte, wo sich die Straßensperrung befand und wie man diese umfahren könnte. Ich dachte mir dann, dass es in Ordnung wäre auf der R360 weiterzufahren.

Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass dies der spektakulärste Tag überhaupt werden würde! Die Straße führte mich durch kleine Dörfer und an Bauernhöfen vorbei, wo Kühe und Menschen gleichermaßen die klassische Musik, die aus Lautsprechern kam, auf der Wiese genossen. Das ist bestimmt kein schlechtes Leben für eine Kuh. Der Duft, der in der Luft lag, war wundervoll. Ich wollte gar nicht aufhören diese frische, süße Luft einzuatmen (und wie sollte ich auch aufhören zu atmen…). Ich sah viele weiß und lila blühende Bäume. Die R360 zeigte aber bald ihr wahres Gesicht. Es folgte ein schmaler, steiler Abschnitt, der über drei Berge führte, die alle über 1000 Meter hoch sind. Ich bin weiter bergauf gefahren, dort sah ich einige Autos, die am Straßenrand parkten. Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht und bin weitergefahren. Und dann kam sie – die Sperrung. Eine breite Schranke riegelte die gesamte Straße ab. Sie schien bereits eine ganze Weile da zu sein, auf ihr hatten sich schon Pflanzen angesiedelt. War dort kein Durchkommen? Doch was sah ich da? Eine schmale Öffnung zwischen der Schranke und einer Steinmauer, die gerade groß genug war, um sich hindurch zu zwängen.

Von da an gab es dann keine Autos mehr und ich hatte die Straße für mich allein. Die Straße, die Berge und die herrliche Luft. Jedoch hatte die Sperrung einen guten Grund, wie ich feststellen musste. Wegen des Regens und der Stürme kam es zu Erdrutschen, die alles zerstört hatten, was sich ihnen in den Weg stellte. Das war die steilste Straße, die ich je befahren habe. Dazu kam, dass es eine Serpentine ist und ich in einer Art Slalom nach oben fahren musste. Alle 30 bis 40 Meter musste ich anhalten, um Luft zu holen. Dabei konnte ich auch die schöne Landschaft bestaunen – wirklich beeindruckend. Alte Pinien und die Bäume, die in bunter Blüte standen, ergaben einen wunderschönen Anblick. Bergfluesse säumten meinen Weg nach oben. Irgendwann war meine Wasserflasche leer und die Sonne ließ meinen Mund im Null Komma nichts austrocknen, so musste ich das Wasser der Bäche nehmen. Das sollte in Ordnung sein, wurde mir von anderen Reisenden, die ich auf der Straße traf, gesagt. Nach 20 km dachte ich, ich hätte die Spitze erreicht. Der Seitenstreifen war mit Seilen abgegrenzt und teilweise waren dort Sandsäcke, die anzeigten, dass der Weg instabil war. Was sah ich da, weiß und glitzernd in der Sonne? Schnee! Es war wirklich Schnee (Bild rechts). Da bin ich vom Fahrrad abgestiegen und nahm ein paar Hände voll, um mein Gesicht abzukühlen. Das war unglaublich. Es waren mindestens 20 °C und der Schnee war trotzdem nicht geschmolzen. Ich wusste, dass der Gipfel bei ungefähr 1400 Metern liegen müsste, deshalb bereitete ich mich schon mal auf die Abfahrt vor. Nach der ersten Kurve traf ich drei lesende Männer. Sie arbeiteten an der Straße und genossen gerade ihre Mittagspause. Mit ihnen habe ich mich kurz unterhalten und bin dann die R360 hinunter nach Shirakawago. Besonders schnell ging die Abfahrt aber nicht, die Hoechstgeschwindigkeit betrug nur 60 km/h, weil ich durch die vielen Kurven ständig abbremsen musste. Ich hielt an, um meine Bremsen zu überprüfen – ich konnte den Radkranz nicht anfassen, weil er so heiß geworden war. Wie gut, dass ich den Reifen gewechselt hatte, diese Straßenbeschaffenheit hätte der alte nicht überstanden. Bei meiner Abfahrt in Richtung Shikawago entdeckte ich einige Gassho Häuser (Häuser aus Holz, mit Strohdächern). Bald sah ich auch die ersten Reisebusse anrollen. Ich hielt in Shikawago, um etwas zu essen und zu trinken. Es gab dort ein nettes Restaurant, das eine Vielzahl an vegetarischen Gerichten anbot (Wurzelgemüse, Pilze, heißes und kaltes Tofu, Misosuppe und Reis). Ich befüllte noch meine Wasserflasche und fuhr weiter nach Kanazawa. Die letzten 20 km rückten näher und ich machte gute Fortschritte. Auf meinem Weg sah ich viele Dämme, Brücken und alte Dörfer. Die R156 wurde zur R304, die auf der Karte nicht so schlimm ausgesehen hatte wie sie in Wirklichkeit ist – steil. Und ein Tunnel kam auch, mindestens 3 km lang. Mir tat inzwischen alles weh und ich merkte, dass ich keine Energie mehr hatte, um das Zelt aufzubauen.

In Johanna (Nanto-shi) entdeckte ich einen Buddhistentempel, wo ich zelten könnte. Ich fuhr aber erst mal in die Stadt zu einem Supermarkt. Ich zeltete neben einem Reisfeld, in dem es sich viele Froesche gemütlich gemacht hatten. Zum Abendbrot gab es einen Eintopf aus Gemüse, Bohnen und Tofu und meine obligatorische Tüte Erdnüsse. Dann bin einfach nur noch in meinen Schlafsack gekrochen und eingeschlafen, nach neun Stunden fahrt, inklusive einer Stunde Mittagspause. Ich träumte von der aufregenden Abfahrt mit Wind im Gesicht, dem süßen Duft der Bergluft und den Froeschen, die mir Geschichten erzählen wollen…

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